Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.
Jakobus 1, 22
Der Schreiber dieses Briefes hat Angst. Er befürchtet, dass seine Leserinnen und Leser sich zu sehr auf ihren Glauben verlassen. Er kennt die Botschaft des Apostels Paulus, dass der Glaube aus der Predigt und damit aus dem Hören auf das Wort Gottes kommt. Aber er findet es ausgesprochen schwierig, wenn daraus abgeleitet wird, dass es nur noch auf den Glauben ankommt.
Was ist mit einem Glauben, der sich nicht im Leben zeigt? Was ist, wenn das Vertrauen auf die Liebe Gottes nicht zu einem veränderten Verhalten führt? Wie sollen andere die Botschaft des Evangeliums als bedeutsam erkennen, wenn sich die Glaubenden in ihrem Verhalten nicht von anderen unterscheiden?
Deshalb kann der Schreiber des Jakobusbriefes geradezu provokativ behaupten, dass der Glaube ohne Werke tot ist (Jak 2,17 und 26). Für ihn gehören Theologie und Ethik, Glauben und Handeln ganz eng zusammen. Nur wenn beides im Leben eines Menschen stimmig ist, entfaltet das Wort des Evangeliums seine Kraft. Nur dann wird der Glaube an Jesus Christus ein überzeugendes Angebot auch für die, die jetzt noch nichts davon wissen.
All dies wurde in einer Zeit geschrieben, als die Christen als neue religiöse Gemeinschaft von ihrer Umwelt kritisch beäugt, zum Teil verleumdet und mitunter sogar verfolgt wurden. Daher war es für die frühe Christenheit eine Selbstverständlichkeit, zunächst einmal ihre guten Taten, ihre Werke der Barmherzigkeit für ihren Glauben sprechen zu lassen. Sie haben Arme gespeist, Kranke versorgt und sich all denen zugewandt, die in schwierigen Lebenssituationen waren. Ihre guten Werke waren eine unverfängliche und authentische Form, den Glauben an Gottes Liebe, Güte und Barmherzigkeit zum Ausdruck zu bringen.
Auch in der modernen, zunehmend nicht mehr von christlichen Traditionen geprägten Gesellschaft, fragen die Menschen danach, wie authentisch der Glaube gelebt wird, von dem jemand redet. Und für wahr hält man nur noch das, was als glaubwürdig erlebt wird. Deshalb sind heute alle Christinnen und Christen herausgefordert, in ihrem praktischen Handeln die Bedeutung des Evangeliums überzeugend vorleben. Und zu einer solchen authentischen Lebensweise ruft der Jakobusbrief auf.
Es war damals nicht anders, als es heute ist. Wer meint, man könne auch ohne gute Werke zum Glauben einladen, der täuscht sich und am Ende auch die, die sich auf den verkündigten Glauben einlassen. Denn die Menschen merken schnell, wenn zwar die Liebe, Güte und Barmherzigkeit gepredigt, am Ende im Gemeindealltag aber Härte, Mitleidlosigkeit und unbarmherzige Ausgrenzung gelebt wird. Und dann wenden sich Menschen ab, egal welche Konfession auf dem Kirchenschild steht.
Überzeugend für den Glauben wirken hingegen Menschen, die ihr Leben und ihre Gemeindearbeit so gestalten, dass beides ihrem Glauben entspricht. Es geht also immer noch darum, nicht nur Hörer der Botschaft von Gottes Liebe Güte und Barmherzigkeit zu sein, sondern die Güte Gottes auch aktiv im eigenen Handeln zum Ausdruck zu bringen. Dann kann aus beidem auch wieder neuer Glaube an das Evangelium erwachsen.
Prof. Dr. Ralf Dziewas
Theologische Hochschule Elstal