Hört nicht auf zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist; seid wachsam, harrt aus und bittet für alle Heiligen.
Epheser 6, 18
Als Christ könnte man auf diese apostolische Anordnung nur Ja und Amen sagen: „Ja, Beten ist ganz wichtig!“ Andererseits haben wir auch verwirrende Erfahrungen mit dem Gebet, insbesondere mit dem fürbittenden Gebet, gemacht: Manche Bitten finden Antwort und erfüllen sich, andere nicht. Warum erhört Gott manche Gebete nicht? Welchen Sinn hat das Beten überhaupt?
Hier ein kleiner Antwortversuch: Im Gebet ist der Unterschied zwischen dem souveränen Gott und uns Menschen nicht aufgehoben. Es gibt keinen Automatismus, als ob unser Bittgebet auf jeden Fall erfüllt würde. Im Gebet steigen wir nicht zu Gott auf, als ob wir durch unser Gebet über Wohl und Wehe entscheiden würden. Als Menschen beten wir und schütten unser Herz vor Gott aus. Gleichzeitig sind wir uns im Beten dessen bewusst, dass nicht wir alles in der Hand haben, sondern der allmächtige, ewige Gott. Bewegt durch das biblische Zeugnis glauben wir, dass Gott nicht unberührt und unbewegt irgendwo weit weg sitzt, sondern sich durch unsere Geschichte und durch unsere Bitten berühren lässt. In Jesus ist er zu uns gekommen, um uns von Schuld zu befreien und uns in Freud und Leid zu begleiten. Im Heiligen Geist ist er uns nah, trägt und führt uns. Indem wir beten und bitten, suchen wir den Geist Gottes in uns und um uns und richten uns auf ihn aus. Darum gehört das Bittgebet zur Grundausrüstung eines jeden Christen: Wir sind uns unserer Begrenztheit bewusst und suchen die liebende Kraft Gottes. Weil wir dadurch mit den schöpferischen und erlösenden Kräften Gottes verbunden sind, und unser Leben dadurch seinen Grund und sein Ziel findet, sollte diese Art von Gebet und Bitte ein Grundton unseres Lebens sein – „jederzeit“, „wachsam“, ausharrend.
Wenn wir in der Fürbitte an unsere Glaubensgeschwister und mit ihnen an unsere Mitmenschen denken und ihre Not vor Gott bringen, sprechen wir ihnen die Lebenskraft Gottes zu, die uns selbst trägt und durchdringt. Weil wir als Menschen in Freud und Leid miteinander verbunden sind, denken wir fürbittend an die Leidenden und werden sicher auch selbst aktiv werden und Solidarität leben.
Prof. Dr. Michael Kißkalt
Theologische Hochschule Elstal