Denn Du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.
Psalm 63, 8
Hat Gott Flügel? Im obigen Psalmengebet wird von den Flügeln Gottes gesprochen. Gott wird hier mit einem Vogel verglichen, der seine Küken schützend unter seine Flügel nimmt. Dieses Bild beschreibt, wie Gott sich als Helfer zeigt: In seiner Nähe dürfen wir uns sicher fühlen, wie die kleinen Vögel unter den Flügeln ihrer Elternvögel.
Was mich so fasziniert, ist die Leichtigkeit und Freude, die sich dabei einstellt. Wenn ein Vogel bedroht wird und Angst hat und sich „unter die Flügel“ begibt, dann stelle ich mir vor, dass das Tier ganz still ist und vorsichtig abwartet, bis die Gefahr vorbeigeht. Das Bild spricht aber davon, dass die Küken hier fröhlich singen. Sie sind völlig ohne Angst. Sie fühlen sich sehr sicher, sodass sie sogar „frohlocken“ können.
Was tun, wenn es schwierig wird? Wenn das Leben oder der Alltag mich überfordert? Wenn sich die ein oder andere Angst einstellt und ich mich unsicher fühle? Wie kann Gott da zu meinem Helfer werden? In der Nähe Gottes kann ich sicher sein. In der Nähe Gottes? Manchmal, gerade in schwierigen Situationen scheint Gott sehr weit entfernt zu sein. Dann fehlt das Gefühl von Schutz und Sicherheit.
Die kleinen Küken suchen die Nähe ihrer großen Elternvögel. Sie laufen ihnen nach. Sie schlüpfen unter ihr Gefieder. Wie kann ich Gottes Nähe suchen, wenn er mir gerade fern erscheint? Ich erinnere mich dann gerne an einen Satz, der mich seit vielen Jahren begleitet: „Gott ist nur ein Gebet weit entfernt“.
Im Gebet kann ich mich an Gott wenden und ihm nahekommen. Hier kann ich meine Ängste und meine Überforderungen ausdrücken. Alles, was mich belastet, kann ich Gott sagen. Hier ist auch Raum für Klage, Zweifel und Verzweiflung, für Ärger, Wut und Hilflosigkeit. Das ist für uns etwas gewöhnungsbedürftig, aber viele Psalmengebete beginnen mit Klagen und Fragen an Gott. In Zeiten, in denen Gott nicht nahe erscheint, nahen sich ihm die Betenden, indem sie Gott fragen, warum er nicht eingreift. Viele dieser Gebete enden dann mit Dank und dem Versprechen, Gottes Wohltaten zu verkündigen. Wir wissen allerdings nicht, wie viel Zeit zwischen Klage und Dank liegt: Stunden, Tage, Wochen, Monate oder mehr?
Im Gebet dürfen wir uns Gott nahen. Er nimmt uns auch mit unseren Ängsten und unserer Hilflosigkeit unter seine Fittiche. Und wenn ich alles, was mich belastet, bei Gott im Gebet abladen kann, dann stellt sich möglicherweise auch eine Leichtigkeit ein. Ein Gefühl von Schutz und Geborgenheit, ein Vertrauen, dass es gut ist oder wird, auch wenn es sich gerade nicht danach anfühlt und eine Dankbarkeit, dass Gott mein Helfer ist. Möglicherweise endet ein solches Gebet mit Freude.
Von meinem Spaziergang habe ich mir heute eine Feder mitgenommen. Sie soll mich daran erinnern, dass ich sicher und geborgen bin.
Prof. Dr. Andrea Klimt
Theologische Hochschule Elstal